Resümee

Beatrice von Bismarck/Andreas van Dühren

BvB: Wir könnten bei dem Wort »Gegenwart« einsteigen – was dies eigentlich ist und was Sie damit verbinden.
AvD: Ich möchte hier natürlich nicht einen eigenen Text, also In Gegenwart verhandeln. Die dort angestellten Überlegungen – angeregt unter anderem durch einen Besuch in der Bauhaus-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau – bezogen sich auf das Problem, ein zunächst räumlich angelegtes Medium für eine wesentlich diskursiv bestimmte Aufklärung – in diesem Fall sagen wir: eine historische Einbettung – zuzurichten; grundsätzlicher ging es wohl um den Konflikt zwischen dem räumlich-figurativen und dem zeitlich-diskursiven Modus – in letzter Konsequenz, daß die Vorherrschaft des Thematischen zur Verkennung eben der Sachverhalte führt.
BvB: Gibt es denn eine Ausstellung, die nicht thematisch vorgeprägt ist?
AvD: Streng genommen nicht. Wie gesagt, bedeutet der schlichte Vorgang, ausdrücklich etwas in einen Raum zu stellen, bereits eine Thematisierung. Es scheint aber der gestiegene Vermittlungs- und Legitimationsdruck in unserer Gesellschaft wie im Kulturbetrieb immer stärker dazu zu verleiten, für einen Vorgang, der im Idealfall selbstverständlich wäre, nämlich Kunst auszustellen, bloße Entschuldigungen zu suchen; und diese Entschuldigung – naturgemäß außerkünstlerisch – scheint man am leichtesten im Thema zu finden.
BvB: Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, was hierbei das Außerkünstlerische sein sollte. Wenn eine Bauhausausstellung geplant wird, dann doch mit Objekten, die dem Bauhaus zugerechnet werden. Diese Objekte sind nun einmal in einem Kontext entstanden, womöglich physisch in Bauhausnähe. Man kann also nicht sagen, daß etwa ein Bild, eine Tasse oder eine Einladungskarte, die man diesem Umfeld entnimmt, in dem Augenblick für außerkünstlerisch gelten, da sie das Label »Bauhaus« erhalten; sondern es verweist einfach auf die Genese dieser Werke. Man könnte noch weiter gehen und sagen, daß, wenn ein Künstler wie Courbet eine eigene Arbeit ausstellt, dies ebenso thematisch aufzufassen sei: ihn hat zum Beispiel das Selbstporträt beschäftigt, Fragen der Selbstwahrnehmung. Es wäre nicht weniger eine thematisch konzipierte Ausstellung, nur daß ein Künstler das Thema vorgegeben hätte – durch die eigene Praxis. Ich kann Ihnen deshalb nicht ohne weiteres Recht darin geben, daß es immer eine Diskrepanz zwischen einem Ausstellungsthema und den subsumierten Gegenständen geben müsse. Ich würde eher sagen, daß dieses Verhältnis ständig und sehr genau betrachtet werden sollte – in welcher Weise eine bestimmte Zeichnung zum Thema, zu den übrigen Exponaten, auch in die Institution paßt, oder auch nur zu einem gewissen Hype, der jenes Thema zur Zeit nahezulegen scheint. Ihre Skepsis richtet sich ja wohl gegen eine solche Diskrepanz zwischen einer eher abstrakten Vorgabe und den konkreten Gegenständen.
AvD: Das wäre ein Mißverständnis. Ich glaube nicht, daß es grundsätzlich oder unvermeidlich eine Diskrepanz geben müsse – sagen wir, zwischen dem Begrifflich-Abstrakt-Thematischen und einem Genuin-Konkret-Künstlerischen; Ausdruckswelt hier, Diskurs dort – es ist gewiß nicht diese schematische Auseinandersetzung, die ich kultivieren wollte. Man kann nicht oft genug betonen, daß jeder Künstler auch Theoretiker ist, unabhängig davon, ob er seine Theorien in seitenlangen Texten ausbreitet oder sich mit gelegentlichen Randbemerkungen begnügt. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe – in einem der beiden Texte, die Sie mir zugesandt hatten, erinnern Sie selbst an den Beginn dieser Praxis, Kunstausstellungen gewissermaßen konzeptionell-thematisch zu titulieren; die Praxis hat sich ja erst eingebürgert, und deren Beginn läßt sich offenbar markieren. Gegen diese Konvention ist grundsätzlich nichts einzuwenden; es kann nicht im Ernst um die Frage gehen: Soll man einer Ausstellung einen Titel geben oder nicht? Es ist aber wohl evident, daß das, was man zunehmend in Form eines Konzepts an den Mann bringen zu müssen glaubt – nicht zuletzt, um Fördermittel zu erhalten –, nochmals und sozusagen in vorweggenommener Verdichtung veräußerlicht wird durch einen wie auch immer griffigen, womöglich thesenhaften Gegenstand – hier eben nicht im Sinne des Objekts, sondern des Sujets; daß nämlich die Frage, weshalb ein Projekt für die Gesellschaft wichtig sei, im Sinne einer aktuellen Relevanz beantwortet werden muß. Und dies setzt sich fort bis in viele Künstlerbiographien, Selbstdarstellungen, Pressetexte: Wendungen wie »arbeitet viel über ...«, »arbeitet zu ...«, »forscht über ...«; eigentlich Formulierungen aus dem akademischen Betrieb, die nun in der Kunstwelt eine Bedeutung vornehmlich aus der Nützlichkeit ableiten: man beschäftigt sich mit einem Sachverhalt, einem Komplex, einem Problem ...
BvB: Das tut man ja auch meistens.
AvD: Was aber offensichtlich etwas ist, das von einem Feld auf das andere übergegriffen hat.
BvB: Warum?
AvD: Warum ich das so sehe, oder warum das so ist?
BvB: Warum soll das von einem Feld auf ein anderes übergegriffen haben?
AvD: Nun ja, ich habe es eben beschrieben; es ist eine Tatsache.
BvB: Aber Künstler haben sich immer mit etwas beschäftigt, das sich auch in einer gewissen Weise verbal fassen ließ.
AvD: Ja, aber die Erwartung, daß der Künstler zu einem bestimmten Thema forscht und die Forschungsergebnisse als Erkenntnisgewinn der Gesellschaft zur Verfügung stellt, um daraus seine Legitimation zu beziehen – diese Erwartung ist relativ neu.
BvB: Ich möchte kurz etwas klären, da ich glaube, daß wir von zwei verschiedenen Sachverhalten sprechen. Das eine ist die Themenausstellung, wie sie in der Tat seit den 60er Jahren und Harald Szeemann aufgekommen ist; doch handelt sich dabei eben um zeitgenössische Kunst und darum, Künstler womöglich zu beauftragen, zu einer bestimmten Vorgabe etwas beizutragen. Das andere wären historisierende Ausstellungen – Impressionismus, 1950, oder zur Technik im Bild, 1928 –, die es, und damit überhaupt thematische Ausstellungen, immer schon gegeben hat.
AvD: Dieser Zusammenhang, historisierend-thematisch, ist allerdings bezeichnend.
BvB: Nun würde mich interessieren, wie sich nach Ihrer Auffassung Zeit überhaupt artikuliert.
AvD: Kaum in einer Ausstellung. Natürlich, Zeit drückt sich immer aus, zeigt sich in irgendeiner Form, insofern als es Dauer gibt. In dem Moment, da ich einen Raum betrete und umhergehe, vergeht eben auch Zeit und strukturiert sich etwas durch Zeit. Den Konflikt sehe ich zwischen dem, was vermittelt, gefördert, angeregt werden soll – in einer historisierenden Präsentation doch wohl Geschichtsbewußtsein –, und der Form, in der dies geschieht. Meines Erachtens konterkariert die Form jenen Anspruch.
BvB: Um hier gleich einzuhaken – in welcher Weise würde sich denn für Sie die Zeit in einem Bild manifestieren?
AvD: In einem einzelnen Bild zunächst durch meine Rezeption, abhängig davon, wie lange ich mich vor dem Bild aufhalte; zweitens durch ein mögliches Wissen – über die Entstehungszeit, und zwar nicht im Sinne der historischen Zuordnung, sondern erst nur der Herstellung, wenn ich etwa weiß …
BvB: Wahrscheinlich der Prozeß.
AvD: Der Prozeß, ja. Wenn ich zufällig weiß, daß dieses Bild über acht Monate hinweg entstanden ist, so kann dieses Wissen meine Wahrnehmung und meine Betrachtung, mein Denken natürlich beeinflussen. Dies sind die Möglichkeiten, die ich auf Anhieb sehe. Im übrigen gibt es noch das bewegte Bild.
BvB: Aber es gäbe in einem Bild doch auch Referenzen auf eine frühere Zeit.
AvD: Es kommt auf das Bild an. Eine figürliche Darstellung mag mir Zusammenhänge suggerieren, die ich in eine andere Sprache übertragen könnte.
BvB: Worauf ich hinauswill – wenn Sie zum Beispiel Broadway Boogie Woogie sehen, dann haben Sie es doch mit einem Bild zu tun, das nicht nur über seine Entstehungszeit und nicht nur über eine Rezeptionsdauer spricht, sondern auch darüber, daß es in einer Epoche entstanden ist, in der man sich mit Abstraktion, mit Jazzrhythmen, mit neuen Technologien beschäftigt hat. Es wäre also eine bestimmte Form der eingelagerten Zeit, die weniger über den Produktions- und Rezeptionsprozeß spricht, wohl aber inhaltlich über die Zeit, in der das Bild entstanden ist und vielleicht sogar über einen Zeitraum, den diese Themen durchlaufen hatten, bevor sie Ihnen zu Augen gekommen sind.
AvD: Wobei ich fragen möchte, ob es das Bild selbst ist, das von all dem spricht.
BvB: Was denn sonst?
AvD: Ich meine, wenn ich ein Werk von Mondrian vor mir sehe – und angenommen, ich erkenne es nicht, habe nur die Assoziation, es müsse sich wohl um einen Mondrian handeln, kenne aber dieses einzelne Werk nicht, lese dann »Boogie Woogie« und weiß, was dieser Ausdruck bedeutet –, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Zeitlichkeit sozusagen in mein Sensorium einzulassen: zunächst die Musik, insbesondere den Rhythmus oder einen bestimmten swing; ich habe sogleich Klangassoziationen, auch visuelle Reminiszenzen und vermute, daß der Künstler eine gewisse Zeitgenossenschaft markieren wollte.
BvB: … notwendigerweise hat.
AvD: Nicht unbedingt.
BvB: Er hat immer eine Zeitgenossenschaft.
AvD: Aber die hätte sich nicht an dem Bild festmachen müssen. Es könnte ja sein, daß ein Grünes Männchen im Jahre 2085 ein Bild macht und darunter »Boogie Woogie« schreibt; dann wäre aber Boogie Woogie nicht zeitgenössisch für dieses »Grüne Männchen« im Jahre 2085.
BvB: Aber notwendigerweise ist Mondrian ein Zeitgenosse.
AvD: Von Boogie Woogie?
BvB: Von seinen Zeitgenossen. Also, notwendigerweise hat er eine Zeitgenossenschaft.
AvD: Ja, aber die macht sich nicht an dem fest, was ich zunächst einmal sehe.
BvB: Vielleicht nicht an dem einen Element, aber an einem anderen.
AvD: Wenn ich genug Mondrians gesehen habe und inzwischen weiß, wer das ist, und dieses Wissen in drei Millisekunden abgerufen wird – natürlich.
BvB: Vielleicht erkennen Sie einfach am Riß in der Farbschicht, daß dieses Bild älter ist als Sie selbst – was heißen soll: Ganz gleich, ob wir uns darüber einig sind, welche Referenzen auf eine Zeit bestehen, sind wir uns wohl einig darin, daß sie bestehen. Und wenn Sie sagen, das Bild spreche nicht, dann würde ich sagen: Nein, es spricht nicht laut, aber das Interessante ist, daß jedes Artefakt eine andere Zeit in sich trägt und ein Behälter wird, in dem sich Zeit einlagert – welche Schichten ich auch davon hebe. Ich will eigentlich darauf hinaus, daß ich Ausstellungen wie Bilder verstehe.
AvD: Sehr richtig, das teile ich durchaus. Meine Skepsis wird ja angeregt durch unbeholfene Zwittermaßnahmen. Ich habe nichts gegen Belehrung: jemand weiß mehr als ich und teilt mir also etwas mit, weist mich auf etwas hin; das ist überhaupt kein Problem für mich. Ich empfand den Konflikt eben darin, daß man für eine Ausstellung zumeist nicht die genuinen Mittel nutzt, sondern andere hineinträgt, als hätte man ein Lexikon ...
BvB: Welches sind denn die genuinen Mittel einer Ausstellung?
AvD: Wenn man annimmt, daß eine Ausstellung etwas wie ein Bild sein sollte, dann könnte man ja überlegen, welche Präsentationsformen – Möglichkeiten des Zeigens – ein Wissen vermittelten, das nicht vor allem diskursiv strukturiert wäre.
BvB: Was könnte denn eine erfolgreiche Ausstellung sein – ich meine, in Ihrer Sicht: Gab es jüngst eine Ausstellung, die in Ihrem Sinne funktionierte.
AvD: Mir fallen zwei Ausstellungen ein, die mich in besonderer Weise beeindruckt, geradezu ergriffen haben: Walker Evans in Winterthur und Jeff Wall in Dresden.
BvB: Jeff Wall habe ich gesehen, Evans nicht.
AvD: Das sind nun Ausstellungen, die ein im einen Fall nicht mehr zeitgenössisches, in beiden Fällen gewissermaßen abgesegnetes Werk in sozusagen mustergültiger Weise darboten, auch so, daß ich zum Beispiel nicht durch kleine Unstimmigkeiten abgelenkt wurde – etwa falsche Zuordnungen, schlechtes Deutsch in den Legenden, was immer sogleich den Blick durchkreuzt. Jeff Wall war konzeptionell anspruchsvoller, weil es für jemanden, der vielleicht schon zu sehr an bestimmte Vorstellungen gewöhnt war, dort auch andere Formate, gewisse Durch- und Seitenblicke gab – zumal in einer Räumlichkeit, die mitunter fast zu geschmackvoll pointiert von einem Zusammenspiel des Mauerwerks mit Bildmaterialien und -motiven lebte. Ich beschreibe hier etwas unbeholfen, welche Reize dort auf mich gewirkt haben mochten. Im Falle von Walker Evans war es der Eindruck eines kompletten Künstlers – von dem ich zuvor vielleicht zwei Genres kennen gelernt hatte und von dem ich nun in einem Rundblick, bei aller Brüchigkeit und Vielfalt, bis hin zu den späten Farbversuchen, eine innere Linie sah, die natürliche Kohärenz einer Künstlerexistenz, die mir zudem noch sehr sympathisch war; man kann ja solche Kohärenz bei einem anderen Künstler nüchterner betrachten und zwar überzeugend finden, doch ohne daß es einen packt.
BvB: Und die Zeitlichkeit – wo wäre die hier zu sehen? Was ich herauszufinden versuche ist, was Sie mit Zeit assoziieren. Sie haben zwei monographische Ausstellungen genannt. Die Frage ist, ob allein die Tatsache, daß die Kunstwerke scheinbar für sich stehen dürfen, schon eine Möglichkeit bedeutet, Illustrativität zu vermeiden oder eine andere Form der Zeitlichkeit als Referenz mitschwingen zu lassen. Also, gilt der Einwand tatsächlich dem Illustrativen und Diskursiven im Verhältnis zu einer ästhetischen Form der Präsenz?
AvD: Zunächst gibt es den relativ einfachen ästhetischen Zusammenhang, daß es natürlich leichter ist, eine gewisse Konsistenz des Gesamtbildes zu schaffen, wenn es sich um eine monographische Ausstellung handelt.
BvB: Da bin ich mir nicht sicher.
AvD: Hypothetisch sehr wohl. Das kann auch schiefgehen, aber tendenziell ist es einfacher, ein schon durch eine Hand zusammengehaltenes Werk auszubreiten und dabei einen, sagen wir, eingeschriebenen Kontext zu wahren, fast etwas wie eine Textur herauszustellen, als wenn wir es mit heterogenem Material zu tun hätten – fünfzig Quellen und Künstlerbiographien, Briefwechsel, Filmdokumente, also eine eher disparate Fülle; eine solche Ausstellung zu jenem Gesamtbild anzuordnen, scheint mir schwieriger zu sein. Ein zweiter Punkt Ihrer Frage …?
BvB: Das Verhältnis von Illustration und Zeitlichkeit. Ich habe Ihre Kritik so verstanden, als lasse sich Zeit nicht durch das Medium der Ausstellung übertragen.
AvD: Das glaube ich vielleicht wirklich. Ich möchte aber auch nicht derart insistieren, als ginge es um ein einziges Problem, das ich ganz klar sähe, das ich sogar lösen könnte. Es war ja die Rede von einem Unbehagen, also etwas Vagem, das sich zumeist schlecht belegen läßt. Vielleicht regt sich hier vor allem ein Künstlerinstinkt gegen das Unangemessene der Mittel. Ich möchte mir gern einmal vorstellen – und das können wir ja gemeinsam tun, im Sinne unseres Anspruchs, eine Ausstellung sollte wie ein Bild wirken …
BvB: Ich würde nicht sagen: »sollte«; ich würde sagen, eine Ausstellung funktioniert ohnehin wie ein Bild, wenn auch nicht wie das Bild an der Wand, sondern als dreidimensionale Angelegenheit, die ihrerseits sehr viele Bilder entwerfen kann.
AvD: Nehmen wir also an, ich wollte eine didaktische Ausstellung organisieren; ich hätte die Absicht, hunderttausend Leute innerhalb von drei Monaten zu belehren, ihnen Sachverhalte und Zusammenhänge anschaulich zu machen, von denen ich meinte, sie seien interessant und ich wisse einiges darüber – und wollte dies auf rein visuelle Weise vermitteln. Wie sähe dies aus – müßte ich etwa Hieroglyphen verwenden?
BvB: Was meinen Sie mit »rein visuell«?
AvD: Das ist ein bißchen verfänglich. Dieses Konstrukt ist eigentlich schon desavouiert, indem ich es so unverblümt entwerfe. Was meine ich mit »visuell«? Damit meine ich wahrscheinlich die ziemlich primitive Vorgabe: Wie gut sieht es aus?
BvB: Was sind denn die Maßstäbe für »gut aussehen«?
AvD: Es sind die selben, die ein Künstler anlegt, wenn er zum Beispiel Farben auf einer Leinwand verteilt.
BvB: Aber da folgen Sie ja auch einer Konvention.
AvD: Der Künstler folgt nicht nur einer Konvention, er erfindet auch.
BvB: Ja, aber die Konvention liegt darunter.
AvD: Natürlich, das eine bringt das andere hervor.
BvB: Würden Sie sagen, daß Sie erfinden, wenn Sie eine Ausstellung machen?
AvD: Ja, bis zu einem gewissen Grade. Es ist im Grunde nichts anderes als jeglicher künstlerische Vorgang. Es gibt doch immer Material, das ich verarbeite, verwerte, zusammenstelle; ich lasse fort, ich füge hinzu. Ich bearbeite ja schon dadurch, daß ich neben eine Photographie zum Beispiel einen Text hänge, oder durch eine bestimmte Lichtgebung.
BvB: Ich widerspreche Ihnen nicht. Aber im Prinzip beschreiben Sie jetzt eine Anmaßung; und Sie hatten vorhin von Anmaßung gesprochen.
AvD: Ich spreche von Anmaßung nicht nur im Sinne eines Vorwurfes. Ich fände es ja sinnvoll und sähe die Anmaßung fast gerechtfertigt dadurch, daß man sich ihrer wirklich bewußt ist und die Verantwortung, die darin liegt, auch trägt – die Autorschaft, die damit einhergeht, reflektiert. In dem Augenblick, da man sie nicht mehr zu kaschieren versucht, wird man der Verantwortung, meine ich, eher gerecht; es ist dann nicht mehr die Anmaßung im Sinne einer Überhebung. Man eignet sich ja auch eine Kompetenz an und füllt sie hoffentlich aus; es ist also etwas, das Autorität schafft und erfordert und bedingt.
BvB: Die Frage ist: Wem oder was möchte ich gerecht werden – den Objekten, dem Publikum, dem Künstler, von dem die Arbeiten stammen, dem Autor der Ausstellung? Was die Autorschaft im Falle einer Ausstellung betrifft, so gebe ich Ihnen völlig Recht: Jede kuratorische Setzung zeigt eine Autorschaft, und man kann dann überlegen, wie sie gehandhabt wurde. Allerdings erhebt sich auch die Frage nach dem Kriterium, und hier würde ich sagen, daß es kuratorische Argumente gibt, die dem Gegenstand in unterschiedlicher Weise gerecht werden. Unter diesem Aspekt verstehe ich Ihr Unbehagen schon fast nicht mehr, weil es dann einfach darum geht, das in Anschlag gebrachte Argument nachzuvollziehen.
AvD: Ich glaube eben, daß die Autorschaft und damit die Autorität wie die Legitimation oder die Kompetenz – dies sind nur verschiedene Zugänge zum nämlichen Sachverhalt – sich allein formal und nicht argumentativ herstellen läßt.
BvB: Was heißt das?
AvD: Das heißt, wenn ich die Ausstellung als Bild verstehe – als Gebilde, um es nicht womöglich prätentiös »Werk« zu nennen –, stelle ich doch etwas her. Auch wenn es nur drei Monate dauert und im übrigen dokumentiert wird, so sind es meine Entscheidungen, welches Licht ich hier setze, ob ich dort eine Wand frei lasse, dieses eine Exponat vielleicht keinen unmittelbaren Nachbarn haben sollte; das Ganze kommt also zur Wirkung und Geltung aufgrund einer Vorgehensweise, die wie jede künstlerische nur formal funktioniert. Jeder Ausstellungsbesucher empfängt einen Eindruck vom Ganzen, ob er will oder nicht und wie sehr er es auch reflektieren mag; er erfährt es wie eine Musik- oder Theateraufführung; ob er das Etikett »Kunst« im Sinn hat oder nicht, er nimmt es als Ganzes wahr und macht eine ästhetische Erfahrung. Er sagt: »Ich war in einer Ausstellung« – »ich gehe hinein, ich gehe hinaus«. Da wird ja eine Begrenzung mitgedacht, also eine Gestalt; es wird als Korpus, immerhin vage als zeit-räumliche Angelegenheit empfunden, in die man sich hineinbegeben hat. Und unter dem Vorzeichen dieser gewissermaßen konturierten Erfahrung kann alles, was ich hierzu unternehme, einzig formal gerechtfertigt sein.
BvB: Ich glaube, ich verstehe das Wort »formal« nicht.
AvD: Vielleicht. Das Formale hat wohl, wenn es über die Konvention hinausgeht, sogleich etwas Autokratisches. Sagen wir … ich habe jetzt zufällig ein Combine Painting vor Augen: Wenn Rauschenberg also entschieden hat, das Kennedy-Photo dort zu plazieren, noch überlagert von einem brush stroke, darüber dann dieses Gelb und der Zeitungsausschnitt daneben – dann hätten Sie ihm wohl kaum Argumente entlocken können; er hätte es sicher auf seine Weise begründet, aber letztlich ist es seine Entscheidung, die aus einem Gespinst von Konventionen, persönlichen Erfahrungen, auch ganz trivialen Mechanismen, die für hunderttausend andere Leute ebenfalls gelten mögen, aus klassischen Mustern wie aus Idiosynkrasien resultiert – und die in erster und letzter Instanz, jenseits der Analyse, nur dadurch gerechtfertigt ist, daß das ganze Ding gut aussieht.
BvB: O.K. Da würde ich, glaube ich, nicht mitgehen. Ich verstehe es zwar wie Sie, daß eine Ausstellung wie ein Bild auch eine Komposition ist. Im Falle eines Gemäldes sind es eben Farben, Formen und Linien, die in irgendein Verhältnis, in einen Zusammenhang zueinander gebracht werden. Aber für diesen Zusammenhang gibt es meines Erachtens sehr unterschiedliche Referenzpunkte, auf verschiedenen Ebenen. Solche Fragen – ob die Komposition im Gleichgewicht ist, welche Spannung das hat – liegen natürlich auf einer formalen Ebene. Aber selbst bei einem abstrakten Bild ist ja das Interessante zugleich, daß es darüber spricht, wie seine Mittel zum Einsatz gekommen sind, welche Genese dies hat und inwiefern es auch selbstreflexiv wirkt. Die Frage – bei Manet zum Beispiel –, wie in der Olympia die Farbe eingesetzt wurde, ist meiner Ansicht nach nicht rein formal zu erklären.
AvD: Gut. Dann würde ich, wenn mein Formbegriff Ihnen zu sehr nach Ästhetizismus klingt, einmal vom Sujet ausgehen. Wenn es zum Sujet, nämlich zu meiner Aufgabe gehört, daß ich einen Zusammenhang veranschauliche – etwa von Duchamp zu Johns, von Schwitters zu Rauschenberg –, dann wäre es auch im Sinne des Werkbegriffes angemessen, daß ich, sofern dieser Zusammenhang diskursiv zu begreifen wäre, mich einfach kundig mache, ehe ich darangehe, jedes Exponat sowohl für sich selbst als auch für meine Idee eines bestimmten Zusammenhangs sprechen zu lassen; daß es also ganz profane Recherchen geben muß, bevor das thematisch Nachvollziehbare jener Idee gewissermaßen in anderer Währung anschaulich werden kann. Das sind allgemein professionelle Vorgänge, auch etwas wie eine Technik, die man lernen und verfeinern kann, um nicht dort stehen zu bleiben, wo ich nur mehr abbilde, was ich schon weiß, sondern die Bedeutungsmöglichkeiten des einzelnen Werkes weiterhin zum Vorschein bringe. Das verhielte sich aber kaum anders im Falle des Combine Painting – daß Rauschenberg eine Assoziation herstellen will und dafür eine bestimmte Technik anwendet. Oder der Komponist, der bei der Wahl eines Instruments darauf ausgeht, das thematische Material vielleicht nach anderen Parametern fortzuführen, so daß neben der expliziten Tonfolge weitere Linien über die Klangfarbe entstehen. All dies würde, vom bloßen Sujet ausgehend, doch wieder zur Form gehören.
BvB: Aber es würde nicht zur Form gehören, auf die zunehmende Massenmedialisierung einzugehen – wie dies bei Rauschenberg der Fall war.
AvD: Was heißt hier »eingehen«?
BvB: Ich will sagen, daß die Frage nach der Form nicht all das abdeckt, was als Kriterium zur Herstellung eines Kunstwerkes dient. Sie haben bezüglich Rauschenberg oder der Musik sich tatsächlich auf formale Kriterien beschränkt.
AvD: Welche gibt es noch?
BvB: Ich würde sagen, es gibt noch eine Million andere. Wir können bei Rauschenberg anfangen. In der Tat geht es da um Massenmedialisierung, um high and low, inwiefern also die bildende Kunst einen kritischen Status als Warengegenstand annahm. Es geht darum, daß sich eine Kunst in den 50er und 60er Jahren entwickelte, die eben dies nicht mehr wollte: nach Kriterien zu funktionieren, die sich auf Fragen einer binnenstrukturellen Balance und dergleichen Formbegriffe beschränkte; auch darum, inwiefern das Original noch eine Rolle spielt, was Originalität und Massenproduktion miteinander zu tun haben. Es gibt sehr viele Gesichtspunkte einer antimodernistischen Position in der Pop Art, die sich nicht mit formalistischen Begriffen fassen lassen.
AvD: Ist es nicht einfach so, daß eine der signifikanten Neuerungen der Pop Art in einer Erweiterung des Formbegriffs bestand – indem Form nicht mehr vorrangig klassisch-ästhetischen Kriterien gemäß oder im Sinne eines Ausdrucksideals aufgefaßt wurde und eben jene vielen anderen Gesichtspunkte zunehmend einbezog?
BvB: Wenn Form alles ist, dann gebe ich Ihnen Recht.
AvD: In der Kunst schon.
BvB: Das sehe ich nicht so. Ich weiß nicht, wie man Massenmedialität als Form verstehen soll. Ich glaube, im modernistischen Verständnis hat sich ein Formbegriff herausgeschält, der weder vorher noch nachher in dieser Weise relevant gewesen ist, und daß er sich überhaupt derart zuspitzte, ist nicht allein der Form geschuldet gewesen, sondern hatte immer schon einen inhaltlichen Bezug. Die Trennung von Form und Inhalt, wie sie durch den Formalismus vollzogen wurde, war prinzipiell inhaltlich begründet. Deshalb weiß ich nicht, wie sinnvoll das Wort »Form« ist, um Rauschenberg zu beschreiben.
AvD: Aber wenn Sie eine Ausstellung als Bild verstehen, auch von Autorschaft sprechen, dann sehe ich nicht, wie dies anders als formal zu denken wäre.
BvB: Für mich ist ein Bild auch anders zu denken. Sie haben über Zusammenhänge gesprochen; ein Zusammenhang ist etwas, das semantisch und syntaktisch funktioniert. Was mich insbesondere interessiert, ist eben eine Semantik der Kontextualisierung, und diese Produktion von Zusammenhängen erfolgt nicht nur über die Formen; da gibt es noch andere Komponenten.
AvD: Allerdings glaube ich, daß selbst das Wissen – immerhin etwas anderes als Information – formal strukturiert ist. Deswegen macht es auch einen Unterschied, ob ich Wikipedia abrufe oder einen Brockhaus aufschlage – nicht weil hier das alte, hehre Bildungsgut bewahrt würde, dort nur wildes Durcheinander herrschte, sondern weil Wissen wesentlich in der Anwendung besteht. Wissen ist nicht etwas, das in der Schatztruhe liegt; es kann nur formal vermittelt werden und nur formal zur Anwendung kommen. Das Quentchen Wissen, das ich bei Gelegenheit hinzugewinne, wenn ich einen Lexikonartikel lese, besteht ja nicht darin, daß ich dieses Körnchen und jenes Körnchen zusammentrage; es ist die Form des Textes – daß nämlich über fünf oder zwanzig Sätze ein Zusammenhang hergestellt wird –, die mir jene Bestandteile als Gesamtes vermitteln. Die Form verhilft mir dazu, selbst Zusammenhänge herzustellen; ich lerne nicht nur, einen Sachverhalt zu verstehen, sondern ich lerne, selbst auch Sachverhalte darzustellen.
BvB: Wie tun Sie das?
AvD: Indem ich in die unendlichen Möglichkeiten eingeübt werde, Sachverhalte kohärent anzuordnen; und das funktioniert nur formal. Bei Wikipedia ist diese Kohärenz nicht gegeben. In einem Absatz stimmt vielleicht alles, im nächsten wieder nur die Hälfte; aber das Entscheidende ist, daß ein Wikipedia-Artikel nicht als Text zu verstehen ist – in dem das eine mit dem anderen durch die Form des Textes in Übereinstimmung gebracht wird. Mit dem Wort »Information« wird so leicht eine Sachlichkeit und Neutralität suggeriert; in Wahrheit ist es nur eine Mißgestalt des Wissens.
BvB: Also, ich finde, es gibt dort Artikel, die als Text funktionieren, aber vielleicht verstehe ich die Differenzierung nicht.
AvD: Es gibt Absätze, die besser als andere gebaut sind, aber der Artikel funktioniert nicht als Text.
BvB: Sie sprechen in Ihrem Text von Legitimation. Wie kommt es dazu?
AvD: Auch in unserem Gespräch ist es ja kein neuer Begriff; im Zusammenhang mit Kompetenz und Verantwortung kam es vor.
BvB: Das heißt, für Sie hat Legitimation etwas mit Kompetenz zu tun?
AvD: Natürlich. Wenn ich mir eine Legitimation selbst verschaffe, dann wohl nur durch jenen Teil der Kompetenz, der neben der bloßen Zuständigkeit so viel wie Sachverstand bedeutet. Und wenn ich die Rolle eines Vermittlers annehme – der etwa eine Ausstellung organisiert, deren mögliches Publikum sich doch konkreter als jenes eher symbolische Gegenüber darstellt, wie es einem Autor am Schreibtisch vorschweben mag –, dann übernehme ich immerhin eine gewisse Verantwortung, auch durch die Macht, die mir mit der Funktion eines Kurators verliehen wurde.
BvB: Wem gegenüber?
AvD: Sicher nicht direkt gegenüber den Besuchern, da ich sie nicht kenne; aber im Sinne der Funktion, die ich erfülle.
BvB: Also sind Sie nur sich selbst gegenüber verantwortlich?
AvD: Nein, denn zu dieser Funktion gehört eine gewisse Vorstellung von jenen Besuchern.
BvB: Und was beinhaltet dann Ihre Verantwortung?
AvD: Auch das ist fast wieder formal zu verstehen; deshalb muß man es vielleicht ein bißchen umständlich beschreiben. Wenn ich die Position dessen einnehme, der einen mehr oder weniger komplexen Sachverhalt vermittelt – dort ist etwas, von dem ich etwas verstehe, in dem ich mich kundig gemacht habe, und auf der anderen Seite gibt es im allgemeinsten Sinne Empfänger, und ich beanspruche durch meine Funktion, im Hinweis auf eine Sache, von der ich suggeriere, daß sie von allgemeinem Interesse sei, immerhin Aufmerksamkeit, zuletzt auch persönliche Anerkennung –, so setze ich mich in ein Verhältnis, zur einen wie zur anderen Seite, und übernehme somit eine Verantwortung. Das ist trivial, doch darf man ruhig einmal daran erinnern. Sogar, wenn ich in einer Runde von zwölf Leuten sitze und das Wort ergreife – also ansetze und damit vorgebe, etwas zum Gespräch beitragen, vielleicht etwas richtigstellen zu können –, bin ich sowohl dem Gegenstand als auch jenen anderen elf Teilnehmern gegenüber verantwortlich, zu denen ich mich in diesem Augenblick in eine bestimmte Beziehung gesetzt habe: durch das Thema wie durch den Modus der Konversation, der ein eher diskursives Vorgehen, eine gewisse Plausibilität und Deutlichkeit, womöglich eine Nachprüfbarkeit bedingt.
BvB: Würden Sie sagen, dies seien Ihre persönlichen Kriterien, oder sind es objektive Kriterien?
AvD: Offenbar glaube ich, sie seien allgemeingültig. Aber es ist sicher eine andere Verantwortung als die eines bildenden Künstlers, der in seinem Atelier steht und seit drei Monaten an einer Serie von Zeichnungen in einem bestimmten Format arbeitet – und der sich manchem verpflichtet fühlen mag, seiner Hybris, der Kunstgeschichte, formalen Vorgaben, einem Repertoire, einem ganzen Resonanz- und Referenzraum oder auch nur seinem Galeristen; eine Vorstellung von soundso vielen Leuten, denen er etwas vermitteln sollte, hat er dabei wohl kaum.
BvB: Würde dieser Künstler von Verantwortung sprechen, oder wie würde er es nennen?
AvD: Notwendigkeit vielleicht, oder Ideal.
BvB: Wie, würden Sie sagen, verhalten sich Verantwortung und Verpflichtung zueinander?
AvD: Verantwortung verstehe ich eher als vielseitige Beziehung, nicht nur bilateral; während ich mich lediglich einer Seite verpflichtet fühlen kann – im Sinne einer Loyalität gegenüber dem, der mich bezahlt, zum Beispiel.
BvB: Ich denke an eine Situation, in der man sich unterschiedlichen Parteien verpflichtet fühlt: sich selbst, dem Publikum, einem Autor.
AvD: Das ist natürlich auch ein Spiel mit Worten; derlei Nuancierungen gehen irgendwann ins Beliebige. Sagen wir, meine Anwendungsweise wäre die, daß ich von Verantwortung spreche, wenn ich etwas wie eine Gemeinschaft sehe.
BvB: O.K. Verstehen Sie denn Ihre Arbeit als Herausgeber als die eines Kurators?
AvD: In meinem Fall hat es sehr viel davon. Ich hatte es mir nicht so vorgenommen, aber in der Wahrnehmung der anderen ist es immer deutlicher geworden, und so wurde es mir auch wiedergegeben. Es hat eine Weile gedauert, ehe ich es selbst so sehen konnte, weil ich eine Abneigung gegen den Begriff »Kurator« gepflegt hatte.
BvB: Wogegen richtet sich diese Abneigung?
AvD: Wie alles, was irgendwann inflationär gebraucht wird ... das Wort ist so gut oder schlecht wie irgendein anderes. Es ist eben das Losungswort für alle möglichen Leute geworden, die um jeden Preis im Kulturbetrieb agieren wollen und die gerade noch zugeben können, daß sie nicht wirklich kreativ sind.
BvB: Aber Sie würden ja auch sagen, daß ein Kurator kreativ ist.
AvD: Er sollte es sein. Das liegt in seiner Verantwortung.
BvB: Weil Sie ihn auch als Autor verstehen.
AvD: Natürlich gehen die postmodernen Begrifflichkeiten irgendwann in Fleisch und Blut über; das ist ja nicht nur ein Begriffsapparat, sondern ein Empfinden. Das Sensorium ist davon irgendwann beeinflußt; man wird gewissermaßen transformiert durch die neuen Begriffe. Es hat auch seine natürliche Bewandtnis, daß der Kurator fast zu einem neuen Künstlertypus geworden ist, der einen zunehmenden Teil jeder künstlerischen Praxis in besonderer Weise reflektiert – was sich darin abspielt an Verfügungen, Mischungen, Übergriffen, Genregrenzen überschreitenden Auswahlverfahren und Montagen, an Wechselwirkungen von Wort und Bild, auch von Erklärungsmustern, die man vielleicht durch ein Übermaß wieder konterkariert.

18.7.2011